Kindlicher Wutanfall-kein Grund zur Panik!!
Der konstruktive Umgang mit Wut führt zu einem intensiveren Leben.
Immer wieder kommt es vor, dass Eltern regelrecht fassungslos sind, wenn der Nachwuchs, z.B. beim Einkauf, ungefragt einen seiner berühmten Wutausbrüche hinlegt. Und das, obwohl man ihm doch stets gute Manieren beibringen wollte. Manche unterbinden die Aktivität des Kindes, manche ignorieren den Vorfall, manche rasten ihrerseits aus. Was ist nun richtig? Es gibt zwei Ebenen, welche es zu unterscheiden gilt: a, einmal die akute Phase, und b, zum anderen die Vorsorge.
A, Der akute Wutanfall
Zunächst ist es bedeutsam zu wissen, dass Wutanfälle nur ein Ausdruck starker Emotionen sind, und als solche normal sind. Meistens streckt etwas dahinter, was das Kind gerade sonst wie beschäftigt, etwa eine Auseinandersetzung im Kindergarten oder eine bevorstehende Trennung der Eltern. S. Michalik-Imfeld (in: WELT,vom 26.2.2019, S.20) betont, dass da weder die Eltern versagt haben noch das Kind gestört ist. Allerdings ist Wut -ähnlich wie Aufgeregtheit oder Trauer-ansteckend. Das allerwichtigste wäre demnach, sich selber in Ruhe zu bringen, gewissermaßen „cool“ werden und zehnmal kräftig durchatmen. Falsch wäre, dem Kind sofort nachzugeben. Denn wenn es durch den Wutanfall nur sofort zum gewünschten Gegenstand kommen will und man ihm dann das Ding kauft, nur um Ruhe zu haben, dann nämlich „lernt“ das Kind, dass man mit extremem Verhalten (s)eine Wirkung erzielt. Unmöglich ist es auch, in dieser Phase mit dem Kind zu verhandeln; Es kann erst in Ruhe zuhören und das Gesagte verstehen. Man benennt nach der Selbstkontrolle in einem zweiten Schritt was gerade vorgeht. Also zum Beispiel: “Ich sehe, du bist grad ziemlich wütend, weil du dein Eis nicht bekommst. Sicherlich hast du Lust auf eines“. Wichtig ist, den emotionalen Kontakt zu behalten und das Kind in seinem derzeitigen Zustand ernst zu nehmen!! In einem dritten Schritt ist Kreativität gefragt. Man versucht, das Kind abzulenken. Also etwa: „Schau mal, da vorne ist ein Fahrrad mit zwei Leuten drauf“. Sobald sich das Kind beruhigt hat, kann man in einem vierten Schritt dem Grundbedürfnis, z.B. Hunger, nachgeben und dem Kind ein Stück Obst anbieten. Total falsch wäre auch, das Kind in seiner Wut lächerlich zu machen, wie es mein Vater mit uns gemacht hat: Er holte den Fotoapparat und schoss Bilder, die er dann bei nächster Gelegenheit den Besuchern gezeigt hat. Das ist der brutalste Umgang mit kindlichen Bedürfnissen, denn dann kippt man das gesamte Gefühlsleben eines Menschen in den Mülleimer. Ich brauchte später Jahre, um einen Zugang zu den eigenen Emotionen zu finden
B, Wut aus Trotz und Vorbeugung
Viel Frust entsteht bei Kindern, wenn sie nicht tun wollen, was sie gerade sollen, z.B. den Tisch abräumen. Nicht selten eskaliert dann eine derartige Situation. Sobald man selber heftig darauf reagiert wird das Kind erst recht trotzig, weil es sich unverstanden fühlt. Dazu gibt es mehrere Ansätze und da ist wiederum Kreativität vonnöten. Man kann das Kind darauf vorbereiten, also z.B. im Kinderzimmer ankündigen: „In sieben Minuten gibt es Essen und du hilfst mir dann beim Abräumen“. Oder man sucht nach Kompromissen. Denn wenn man die Vorstellungen und Bedürfnisse der Kinder vollständig außer Acht lässt, dann wird daraus über kurz oder lang ein Machtkampf. Man schaut also, wo man das Kind mitbestimmen lassen kann. Das unterstützt auch deren Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Aber: Führt das nicht zu Egoismus? Grundsätzlich haben uns Wut und Egoismus evolutionär beim Überleben geholfen und uns gezeigt, wo Bedürfnisse nicht erfüllt werden oder wir für uns einstehen müssen. Ziel sollte sein, bei dem Kampf für die eigenen Interessen den anderen im Blick zu behalten und in der Wahl der Mittel zur Durchsetzung nicht zu grob zu werden. Und weil ja die Kinder durch Nachahmung lernen, sollen sie sehen, wie die Eltern ihre Konflikte auf der Paarebene lösen. Wie man also nicht wartet bis einem der Kragen platzt, sondern auch kleinere Unstimmigkeiten ruhig anspricht, benennt, was einen nervt ohne den anderen damit anzugreifen, und dann Kompromisse sucht. Vorbeugend helfen natürlich auch alle Arten körperlich fordernder Unternehmungen. Das kann auch so ausschauen, dass man mit den Kindern tobt und sich balgt, sie in ein Kissen schlagen lässt oder einen Boxsack ins Zimmer hängt. „Kinder müssen ihren Körper spüren“ (Zit. Michalik-Imfeld). Das baut viel Stress ab.
Literaturhinweis: Michalik/Imfeld: Mein wunderbar wütendes Kind: Warum starke Gefühle auch gut sind und wie wir Wutanfälle gemeinsam überstehen