Missglückte Verfolgung

Missglückte Verfolgung

Der große Tag für die Jagdhund-Prüfung in Bad Sulza (Thüringen) ist gekommen. Die Kandidaten wedeln aufgeregt mit den Schwänzen, einige können ihre Bellerei nicht zurückhalten und manche sind nur mit Müh und Not an der Leine zu halten. Dann der entscheidende Moment: Laut einer Meldung der WELT (vom 29.3.2021) sollten die Hunde diesmal auf Hasenjagd gehen. Die Leinen lösen sich und alle schnuppern und rennen eilfertig davon, der vermeintlichen Beute hinterher.

Doch, was ist das denn? Ein Beagle schert aus, als ob er die Kurve nicht kratzen könnte, und setzt sich zu zwei Damen ins Auto nach dem Motto: Wozu laufen, wenn es doch praktische Fahrzeuge gibt? Noch dazu in angenehmer weiblicher Begleitung! Die ersten paar Kilometer geht alles gut, doch dann verstehen die Damen seine Anweisungen zur korrekten Verfolgung von Hasen nicht und fahren in die entgegengesetzte Richtung. Irgendwie blöd. Aber er denkt sich: Na ja, dann schauen wir mal, was mir meine neue Herrschaft so vorsetzen wird. Doch das Glück währt nicht lange, denn dank eines GPS-Trackers kann der Hund geortet werden. Die Polizei findet das Gefährt, hält es auf und verdonnert die Damen zu einer Strafe. Sie geben zwar an, sie hätten den Beagle in ein Tierheim bringen wollen, aber das wird ihnen nicht abgenommen; der Hund wird ihnen allerdings schon abgenommen. Dieser wirkt ein wenig enttäuscht, denn ein Leben im Tierheim entspricht nicht ganz, was er sich unter einem stolzen und freien Hunde-Dasein versprochen hatte.

Wehrhafter Hirsch

Wehrhafter Hirsch

Normal ist es ja so, dass der Mensch mittels einer technischen Erfindung, die mit Schießpulver und einer Metallröhre zu tun hat, Wild jagd, welches frei in den Wäldern herumläuft. Als Trophäen kann man dann diverse Geweihe oder ausgestopfte Tiere an den Wänden von Burgen, Villas und ähnlichem bewundern.
Die SZ (vom 26.11.2020, S.10) berichtet nun von einem der extrem seltenen Fälle, wo sich das Schicksal genau andersherum ergab: Der Hirsch erbeutete das Gewehr eines Jägers und ließ es als Trophäe in seinem Geweih hängen.

„Wehrhafter Hirsch“ weiterlesen

Vom Löwn-Kini (11)

Vom Löwn-Kini (11)

Vorwort

Da ollagresst Kini – da Kini vo de Löwen

Oschaffa! Des deans gean, de Leid. Aba des hoasd no ned zwansleifig, dass des aa wos mid regiern z doan hod. In meiner Version vo dera Gschichd erfahrsd, wos da Unterschied zu frührar is. Und ganz neembei, wiasd vom Bua zum Mo weasd, vom Maxl zum Maximilian. Oda vom Nannerl zur Anna-Maria. Wia des med dem `Upgrade ́gmoand is. Und ollem voroo kapierst wos vom Leem; wei wodrum dass wirkli gähd is ned bloß, dass ma sein Stoiz aufblaad, sein Besitz vermehrt oda sei Eitelkeit pflegt, sondan dass ma seine Talente entwickelt und sie fia sich säiba UND füa die Oigemeinheit eisetzt. Nacha kimmd nämli a wengerl mehra Gerechtigkeit ind Wäid und du nutzt dei Kraft füa wos Sinnvois.

Do steckt oiso vui mea dahinda ois ma zerschd so glaabt; und deszweng schaung ma uns de Gschichd amoi von ara ganz andan Seidn o. Es is übrigens koa Schand, dasdas mehrmois liesd, weis dermaßen kompakt is, dassd beim ersdn Moi ned oissamt midkriagsd.

„Vom Löwn-Kini (11)“ weiterlesen

Vo de Oba-Nieda-landerischen Dorfmusikanten

Vo de Oba-Nieda-Voada-Hindda-landlerischen Dorf-M U S I K A N T E N
oder: De Open-Air-EHKG

Da Gockel hod si mächtig gfoachdn in seim Stoi. Olle Henna vom Hof hams gschnappd, gruppfd und ind Suppnschüssl vafrachd, wos eana boid z hoaß woan is. Des hams zwar nimma gschpüad, wei ma eana zuvor scho de Kepf abghackd hod, aba da Gockel hods grocha; und ea denkt se: Ez muas i mi ins letzte Loch vakriacha, sunst dawischns me aa no. Wos eam am meisdn ogstunka hod, war aba, weil ea auf de Weis nimma midkriagd hod, wos si draußd oiss so rüad. Wo ea doch gern an Obagschafdl gspuid hod. Und gean ogschafd hoda aa, und außadem hod ea gmoand, wann in da Fruah ned krahd, dann gähd d´Sunn gor ned auf. Auf oamoi dauchd neba eam a Katz auf. „Harrgod, hosd du mi daschreckd“ fahrds ausm Gockel naus, „häddsd doch leiddn kenna“! „I hob ja ned ahna kenna, dass do no ebban drin is, weis so stad worn is, nachdem s olle Hendln vadruckd hom“, antwort de Katz, „aba brauchsd koa Angst vor mir ned ham, weil mir de Häifdn Zähn fäin. Jetzat woin mi de Leid glei los wern, weil i nix mea daug zum Meisfanga. Du, vahindada Grschroahois, da kummd mia grod a guade Idä:

Mia macha uns gschwind ausm Staub, denn des merkd koana, weis drinnad sowieso alle grod eanan Rausch ausschlaffa“.

„Aba i ghea doch hierher“ meckert da Gockel.

„Ach wos, vagiss deine Hendln“. Und schnurstracks macha se de zwoa davo, schleicha aussi, am Misthauffa vorbei, undda da Bruckn durch und am Boch entlang. Da gähd dem Gockel schnäi d Lufd aus, weil ea des rumsträuna ned gwohnd ist, und bei da näxdn Bank sogd a: „I brauchad a kurze Rast, weil i mim Schnaufa nimma midkimm.“Kaum hogga de zwoa zsamma, frogd da Gockel neigierig: „Sog amoi, wia isn des kemma mit deine Zähn?“ „Oh mei, des is a bläde Gschichd“, moand de Katz, „du kennst doch de Oachkatzln, gäi?“ „Ja freili“, sogd da Gockel, „de ham uns gean mid Nüss vo ohm zuagschütt und ham se amüsiert, wenn ma nacha grantig worn san.“

„Ja, ez bass obachd. Bei mia hamsase aa amüsiert. I hoaß doch genauso Katz wia de Oachkatzln, und do hob i mia denkd, des miassad bei mir genauso funktioniern, wenn ma vo oam Ast aufn andan umispringt, wei des olle Katzn drauf hom soiddadn. Hod aba ned. I bin ausgrudschd und aufs Mei gfoin, und do hods ma de voadan Zähn ausgschlong. Und do hamse de Oachkatzln erschd amüsiert. Ja, guad, a weng varengd hob i mi aa, aba des hod si wieda geem.“

„Au weia,“ sogd da Gockel, „ned oiss wos ähnlich klingt is gleich. Bei mir zum Beispui: I bin da stoize Gockel und staand gern auf am Sockel“.

`A so a Ogeber´, denkdse de Katz. Aba si sogd: „I hob nochgschauggd, wia de Psycho-Leid bei mir song: Selbstsabotage. Und des bei meiner oid-ehrwürdigen Ahnenreihe, de bis ins Johr 3956 nochm Katznkalenda zruckreichd. So a Schand aba aa!!“ „A wos“, sogd da Gockel, „Vagiss dei Ahnenreihe. Do konnsd ned obabeißn davo. Außadem kemma meinatweng scho weidalaffa. Mia san a richtige KG“.

Nach fünf Minutn issam Gockel aba z schwar worn. „I bin doch as Laffa ned gwohnd!“ „Mei, na vagiss dein Sockel und hock de hoid bei mir auffi“, sogd de Katz, „bisd eh scho obgmogert bis auf de Rippn. Sovui pack i schono. Aba sog o, warum san mia a KG, a Kommanditgsäischafd?

“Am Gockl hod as Leem wieda gfreid, und ea antwort: „Des hoassd doch nur Katz und Gockel“. Dabei is eam aufgfoin, dass de Sunn ohne eam aufganga is. Des deaf doch ned wohr sei, denkd a se. Und fangd aufm Buckl vo da Katz as Krahn o. De wiederum miaud aus voim Hois dazua, weis mitnand mehra Spaß machd.

„Vo de Oba-Nieda-landerischen Dorfmusikanten“ weiterlesen

Die neuen Leiden des alten Goethe

Die neuen Leiden des alten Goethe

ein Frühjahrs-Gedicht der anderen Art

Er ging im Wald so vor sich hin,
Nichts zu suchen war sein Sinn.
Da sah er im Vorübergeh’n
Ein kleines, zartes Blümlein steh’n.
Es war so lieblich anzuseh’n.

Er grübelte und dachte scharf,

ob er es einfach mitgeh’n lassen darf.

Doch müsst´ er, um es abzupflücken,
Sich tief hinab, hernierderbücken.
Und dazu war sein Bauch zu dick,
Das ist halt des Gourmets Geschick. „Die neuen Leiden des alten Goethe“ weiterlesen

Bibel lesen im Unterricht? Diplom-Arbeit an der LMU München, 1982

BIBEL IM UNTERRICHT?
Diplom-Arbeit von Bernhard Moser, eingereicht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwigs-Maximilians-Universität München, 1982, zum Thema :
Eine bibeldidaktische Untersuchung über Unmöglichkeiten, Möglichkeiten und Methoden des Einsatzes biblischer Text im Unterricht

Bibel ist immer wieder zu einer „Renaissance“ fähig, mag man mit ihr umgehen wie man will. Sie beschäftigt Menschen, v.a. Christen, oft ein Leben lang. Eine Untersuchung von G.Stachel legt nahe, dass der Bibelunterricht mit etwa 30% des Religionsunterrichts die zweite Stelle einnimmt.
Es ist jedoch zu fragen: Auf welchem Hintergrund und welchen Voraussetzungen ist es sinnvoll, sich mit Bibel auseinander zu setzen? Was sind die Probleme, die sie mit sich bringt? Was kann Bibel leisten? Welche Auslegungsformen sind veraltet oder sogar schädlich?
Die vorliegende Arbeit versucht im Kontext der neueren Entwicklungen der Theologie auf solche und ähnliche Fragen eine Antwort zu formulieren und auf Grenzen aufmerksam zu machen. In erster Linie sind innerreligiöse und didaktische Gesichtspunkte berücksichtigt. Andere, wie zum Beispiel die Curriculumdiskussion, die Bildungsrevision usw. spielen nur eine untergeordnete Rolle.
Erschwerend für die Arbeit wirkte sich der Umstand aus, dass in der Bibeldidaktik keine unmittelbar verwertbaren Ergebnisse vorlagen. Zu vieles war erst im Umbruch. Es fehlte ein festes Konzept; und vieles stand unvermittelt nebeneinander. So versteht sich der am Ende vorgeschlagene Unterrichtsplan nur als Versuch, die theoretischen Erkenntnisse umzusetzen auf eine bestimmte Klasse, eine bestimmte Kategorie von biblischer Erzählung ( einer Wundergeschichte) und nicht als allgemein gültige Lösung. „Bibel lesen im Unterricht? Diplom-Arbeit an der LMU München, 1982“ weiterlesen

Manieren mit Valentino

Anstand mit Valentino
In Michael Endes ergreifender Sylvester-Geschichte: Der …Wunschpunsch spielt ein gewisser Maurizio eine Hauptrolle, indem er durch tollkühnen Einsatz und jeder Menge Grips den Abend rettet. Dieser Held entstammt einem alten italienischen Adelsgeschlecht und ist ein berühmter Kater. Mein Bekannter Richard aus Berlin hat ebenfalls die Ehre mit einem solchen Exemplar zusammen zu leben, und dieser heißt Valentino.
Die erste Begegnung zwischen den beiden verlief eher unspektakulär. Valentino lag quer über der Treppenstufe als Richard herunterkam. Der Kater hob nur kurz die Augenbraue und wich nicht von der Stelle. Damit war die Registrierung des neuen Bewohners seinerseits abgeschlossen. Richard sagte nur kurz: „Aha, so schaut das also bei dir aus“ und musste umständlich über Valentino hinweg steigen. Immerhin hatte Valentino das ältere Hausrecht auf seiner Seite.
Am Feierabend wollte sich Richard auf der Terasse entspannen und seine Emails checken. Valentino kam aus dem Schuppen und setzte sich in sechs Metern Entfernung förmlich auf die Hinterpfoten um dem Richard seinen abendlichen Gruß zu überbringen, ein halblautes, interessiertes und kurzes „miao“. Richard, in seine Lektüre vertieft, rührte sich nicht. Valentino rückte daraufhin näher, setzte sich wieder nobel auf die Hinterpfoten und rief deutlich lauter: „MIAO“. Richard zeigte sich allerdings auch davon völlig unbeeindruckt und starrte weiterhin auf das ach so interessante Display. Kater Valentino aber ist der Überzeugung, dass Anstand und Höflichkeit zu einem gedeihlichen Zusammenleben dazu gehören. Er kam also bis auf einen Meter heran, setzte sich gebührend um sich in Stellung zu bringen und brachte sein fortissimo „MIIAAOO“ heraus, nach dem Motto: Der Berliner Schnauze werden wir doch noch Anstandsregeln und Manieren beibringen! Und diesmal reagierte Richard, wandte sich ihm zu und bemerkte trocken: „Ich hab dich schon gesehen, alter Haudegen“. Das genügte dem italienischen Grafen als Minimun von Respekt und Manieren, er trollte sich von dannen und murmelte ein kurzes zufriedenes „miao“ nach dem Motte: Na also, geht doch…

Tierische Ausbrüche und andere Freiheiten

Ausbrüche und andere Freiheiten
Zwei unbezähmbare Schafsböcke entwichen wiederholt dem Züchter, wobei sie jedesmal völlig unbeteiligte Passanten angegriffen haben, zuletzt eine 43-Jährige Frau. So ein unzüchtiges Verhalten muss natürlich bestraft werden – und zwar von der Behörde! Denn der Besitzer dieser Widder wurde zu Schandensersatzleistungen verpflichtet. Die Böcke trainierten ja nur für den Ernstfall, nämlich falls sie auf freier Wildbahn von anderen entlaufenen Tieren angegangen werden, z.B. von Wölfen.
Zum Beispiel vom Emeram aus Knüll. Laut der SZ (vom 27.2.2019, S.1) ist dieser Wolf aus dem Wildpark Knüll entlaufen. Zunächst fehlte jede Spur. Erste Vermutungen, er streife als Großmutter verkleidet durchs Land wurden behördlicherseits nicht bestätigt, sondern ins Reich der Märchen verwiesen. Als wahrscheinlich kann gelten, dass er zu den andern Wildwölfen gestossen ist. Die harte Waldgang hat ihn da bestimmt mit dem üblichen Aufnahmeritual vertraut gemacht, z.B. selbständiges Reißen von Rehen und unbedingte Unterordnung unter den Anführer. Ob das der verweichlichte Parkwolf, der an regelmäßige Fütterungen gewohnt ist, überstanden hat gilt als fraglich.
Schon Rilke beschrieb den traurigen Blick des eingesperrten Panthers, nichtsahnend, dass der an einem ausgefeilten Fluchtplan arbeitete. So wie Schneeleopard Irbis, der eine halbe Stunde im Wuppertaler Zoo herrlich frei umherspazierte. Die Besucher sahen sich genötigt, in den Tierhäusern Zuflucht zu suchen; welche Umkehrung der Verhältnisse!! Da konnte dann der Leopard die Menschen hinter Gittern besichtigen- welche ein Triumpf.
Der Kölner Schimpanse Petermann machte hingegen eine beachtliche Karriere als Karnevalist. Er durfte die Prunksitzungen mitgestalten und wurde schon als idealer Kandidat für den Festausschuss gehandelt. Neueren Forschungen zu Folge hat sich jedoch das Gemüt des sensibeln Tieres verdunkelt, als es die vielen faden Altherrenwitze bei den Prunksitzungen anhören musste. Eines Tages überwältigte er seine Bewacher mit roher Gewalt und entwich. Als ihn die tödliche Kugel traf, soll er noch die linke Faust in den Abendhimmel gereckt haben.
Die Nerze aus Mecklenburg hatte mehr Erfolg. Sie organisierten einen Massenausbruch und blieben unauffindbar in der Ödnis des deutschen Nordostens.
Ausbruchskönige sind allerdings die Känguruhs. Sie hechten leicht über diverse Hürden und vergnügen sich anschließend in unseren Hüfpburgen und Hoppegärten. Ein solches Exemplar aus Dortmund- Brechten kooperierte mit einer Ziege, welche mit den Hörnern das Tor des gemeinsamen Geheges aufgestoßen hatte. Es entzog sich dem Zugriff der Polizei durch gewaltige Sprünge, machte aber dann doch einen entscheidenden Fehler: Es äugte nach hinten um die Verfolger im Auge zu behalten und übersah dabei den Pool. Nun musste das verwirrte Tier umständlich aus dem Wasser geborgen werden.
Auch die beiden Kapuziner-Äffchen Obi und Philippa aus Berlin begingen bei ihrer Flucht aus dem dortigen Zoo einen Fundamentalfehler. Jetzt sind sie wieder bei ihren Artgenossen am Affenfelsen. Dabei ist es Obi sogar gelungen, sich bis zur S-Bahn-Station Biersdorf durchzuschlagen. Dem Bier hat sie noch erfolgreich widerstanden. Und wer weiß, welche Sterne der Freiheit ihr geleuchtet hätten, wäre sie nicht am Bahnhof gefasst worden. Aber das konnten sie als Anfängerinnen nicht wissen: Nämlich, auf der Flucht, wo jede Minute zählt, verlasse dich niemals auf die Pünktlichkeit der S-Bahn, und schon gar nicht in Berlin!!

Leben wir in der besten oder der schlechtesten aller denkbaren Welten?

Leben wir in der besten aller möglichen und denkbaren Welten, wie es z.B. Leibnitz sieht? Oder ist unsere Welt die schlechteste aller denkbaren, wie es z.B. Schopenhauer sieht? Beides bedeutende Philosophen aus dem 17./18. Jahrhundert. Oder anders gesagt: Der Optimist postuliert, wir würden in der besten aller denkbaren Welten leben, und der Pessimist befürchtet, dass der Optimist Recht hat.
Dazu hat Voltaire eine wüste Geschichte erfunden, die sich „Candide“ nennt. Diese Geschichte hat L. Bernstein als Musical vertont.
Gestern Abend hab ich sie mir angeschaut und angehört. Als Schlussfolgerung könnte man so sagen: Für den, der glaubt, in der besten aller Welten zu leben, sind die schrecklichen Erlebnisse ein kleines wenig erträglicher, weil er meint, dass es genau so und nicht anders kommen musste; als ob es so eine Art Vorhersehung gäbe. Dieser Ansicht widerspricht aber krass der Grundannahme, dass der Mensch über einen freien Willen verfügt. Wenn alles vorausgedacht und vorgesehen ist, dann gibt es keine Schuld und keine wirkliche Entscheidungsfreiheit des Menschen. Und man fügt sich letztlich einem grundlegenden Fatalismus. 
Im Gegensatz dazu dient jedes Sich-Engagieren und jedes Verbessern-Wollen der Vervollständigung und setzt zwangsläufig voraus, dass bisher eben noch nicht alles vollkommen war. Oder anders gesagt: Da ist noch Luft nach oben. 
Die Lösung liegt im chinesischen Jing-Yang-Symbol: Es gibt Licht und Schatten, Vollkommenheit und Unvollkommenheit, und die ganze restliche Welt der Gegensätze, um zweierlei willen:
1, Einmal um unseres Bewusstsein willen; denn erst indem wir Dunkelheit kennen, erleben wir Helligkeit bewusst. Erst indem wir Kälte kennen, erleben wir Wärme bewusst. Erst indem wir die Grenzen kennen und Dinge nicht selbstverständlich zu (unserer) Verfügung und Ausbeutung stehen, werden wir uns des Wertes von etwas (klares Wasser, gesunde Lebensmittel, soziale Interaktion usw-) bewusst.
2, Zum anderen, damit wir darin unsere (Lebens-) Aufgabe erkennen und herausfinden, wo wir einen Anteil zur Vervollkommnung beitragen können. Bei Voltaire endet die grausame Geschichte nach vielem Leid und Nah-Tod-Erlebnissen so, dass der Held ein zufriedenes und glückliches Leben als Ackerbauer führt, der halt jeden Tag tut, was getan werden muss. Er macht sich keine Gedanken um Vollkommenheit oder Unvollkommenheit mehr. Oder anders gesagt: Ebenso wie das Leben einfach IST und die Natur einfach IST, so BIN ich auch einfach Mensch; und wenn ich meinen Beitrag zum Leben leiste und meine Arbeit in Übereinstimmung mit meinen in mir angelegten Talenten passiert, dann bin ich auch glücklich.
Es wäre alles eigentlich ganz einfach. So gesehen.