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Beobachtungen…

Wir Alten sondern uns zusehends vom Rest der Welt ab, das darf ich hier schon mal so sagen, weil wir unter uns sind. Dazu zwei recht gelungene Beispiele.

Hat mir doch letzte Woche ein Alexander gemailt, dass er nun  eine Antwort-Mail vom Juli 2020 erhalten hat. Er kann sich aber nicht erinnern, dass er eine entsprechende Mail an mich geschickt hat. Mein Kommentar: Es erfordert immer wieder höchste Kunstfertigkeit, sich in den Wirren des Internet zurecht zu finden. Da kann’s einem schon passieren, dass man mit der realen Welt nicht mehr zurande kommt.
Wie jener Jüngling, der in der Postfiliale von Dresden vor meinem Bekannten Stefan stand.

In der Hand hielt er – offenbar ein Computerfreak – einen Brief, um ihn ab- und aufzugeben. Das war ein  beschriebenes Blatt Din A4, ganz normales Papier. Als er zum Schalter kam und nach seinem Kundenwunsch gefragt wurde, sagte er, er wolle dieses Blatt Papier verschicken. Da meinte die Verkäuferin, dass es nicht ungeschickt wäre, dieses in ein Kuvert zu stecken und zu adressieren. Da er nicht wusste, was sie mit einem „Kuvert“ meine, diskutierte er mit ihr darüber, dass sie ihm das doch organisieren müsse, dass dieses beschriebene Blatt versendet werde. Sie bestand aber darauf, dass sie das am Schalter nicht tun könne, er müsse sich in einem Papiergeschäft Umschläge kaufen, einen davon beschriften, das heißt adressieren, und dann könne er wieder kommen. Ob dieser verzweifelte Kunde nicht auch dieses Mal wieder lieber zu seinem Smartphone oder Computer gegriffen hat, bleibt indessen ungeklärt. Bei so wenig Kooperationsbereitschaft der Postmitarbeiterin, da kann einem der junge Mann schon ein wenig leid tun.
Also, ich als Postbeamter hätte ihm etwas von Briefgeheimnis erzählt, ihm sodann vorgeschlagen, das Blatt schön eingeschlagen zu falten, mit einem heißen  Wachs zu versiegeln, zu adressieren, frankieren  und in einen Postkasten (Marke „gelb“) zu stecken. Aber die Leut ham halt keinen Humor. Vielleicht hätt’ er ja darauf reagiert… Außer er wollte das Blatt als Fax verschickt haben.
Version 2: Sie hätte auch vorschlagen können,  den Briefinhalt zur Postkarte zu verkleinern, und mit 45 Cent wär er ausreichend frankiert gewesen.
Von der Fizz, Lisa, hab ich grad auch eine nette Story gehört, wo so ein junger Neo-Nazi zusammen mit einigen anderen Patienten im Warteraum beim Arzt sitzt: kahlköpfig, düster dreinschauend, alles an ihm schwarz und mit Springerstiefeln. Die Tattoos kann man erahnen. Eisiges Schweigen im Zimmer.  Keiner wagt sich zu bewegen. Da wendet sich ein altes Mütterchen an ihn und sagt mit mitleidiger Stimme: „Mei, armer Bua, duasd ma echd leid, host zuerscht a Chemo g’habt, und dann musst so jung scho Stützschua trag’n.“
Da könnt ich mich ins Knie bieseln, wenn ich so was höre, besser geht’s nicht.
Auf dass ihr von Chemo und Stützen verschont bleibt!