Zweimal geschnitten –und doch überlebt
Vorgestern ham’se mich geschnitten. Und sogar zur Verjüngung. Das kennt man normalerweise nur von Pflanzen, aber es geht auch bei Menschen. Man muss nur aufpassen, dass man eine Verletzung vermeidet. Denn du glaubst ja gar nicht, wie viele Gefahren überall lauern. Aber vielleicht interessiseren dich eher die Details. Also, das kam so: Es gab eine Einladung in den SV. Nicht irgendeinen einen SportVerein, auch nicht den SparkassenVerein oder die Sozialversicherung, sondern den Süddeutschen Verlag.
Die Rede vom Prof. Klugschwätzer war nicht ganz so dumm wie letztes Mal. Bevor aber der Zirkus los ging, begab ich mich in die Seitenloge, wo noch nicht viel los war, denn später musste man stundenlang anstehen für den angebotenen Spezial-Service. Dort war nämlich eine Mutter samt Sohnemann zugange, welche darin geübt war, von jedem beliebigen Besucher einen Scherenschnitt anzufertigen, welcher auf Kosten des Veranstalters ging. Also macht er sich daran, mein Profil scherenschnittnmäßig abzubilden. Wir unterhalten uns prächtig und da erzählt er beiläufig, dass sie nächste Woche in Paris zu tun hätten. Ich meinerseits erzähle kurz vom Film „Mein Leben mit Cézanne“.
So gegen Ende der Sitzung meint er, für die Einritzung meiner Stoppelhaare auf dem Kopf, sprich Haupthaar und Bart, würden alle einzeln abgezählt. Um ihm ein wenig Arbeit zu ersparen und weil ich der Meinung bin, dass es so arg wenige doch auch wieder nicht seien, schlage ich vor, dass sie zum Appell allesamt aufstehen und sich abzählen sollen. Ham’se gemacht. Wir haben also unseren Spaß, und als ich das Ergebnis sah, stelle ich verblüfft fest, dass ich etwa dreißig Jahre jünger aussehe. „Tja“, meint er, „das ist ein Phänomen: Die Alten schauen bei mir immer zwanzig Jahre jünger aus, aber die Jungen immer zwanzig Jahr älter.“ Ausgleichende Gerechtigkeit.
Nicht so schönes Schneiden gab es dann am Montag darauf. Der Klassiker: Ich will mit dem Fahrrad inklusive Anhänger geradeaus, der PKW will aber nach rechts abbiegen, übersieht mich und schneidet mir die Vorfahrt ab. Das Vertrackte an der Sache: Zuerst hat er gehalten, als ob er mich sehen und vorbei lassen würde. Unverhofft fährt das Ding plötzlich los, aber nicht schnell genug, so dass ich – trotz Ausweichmanöuver – hinten rein krache.
Die Dame am Steuer hatte langsam abgebremst und war inzwischen zum Stillstand gekommen. Ich trug nur kleine Schürfverletzungen an der Wade und eine Prellung am Oberschenkel davon und zur grenzenlosen Erleichterung der Fahrerin war ich bald nach dem Sturz wieder auf den Beinen, wenngleich mit einem mittleren Schock. Sie war rührend um mich besorgt, und während wir auf das Eintreffen der Polizei warteten, kümmerte sich zusätzlich eine Passantin um mich. Leider war sie als Unfallzeugin unbrauchbar, weil sie nur den Sturz, aber nicht den ganzen Unfallhergang beobachten konnte. Und so hatte ich nachher größte Mühe zu beweisen, dass ich das Fahrzeug auf dem Radüberweg streifte und nicht erst, nachdem es abgebremst war, wie die Fahrerin behauptete.
Fazit: Man kann an dieser Geschichte gut erkennen, dass es nichts zu bedeuten hat, wenn jemand Mitgefühl entwickelt, sobald es um die Klärung der Schuldfrage und eine nachvollziehbare Ereignisfolge geht!
Post von der Staatsanwaltschaft: Das Verfahren wurde eingestellt.