Hungrig einkaufen gehen
Es war ein Samstag vor Ostern, und ich hatte eine Vereinbarung in Fürstenfelsdbruck, wo ich einem jungen Paar über Mittag geholfen hatte, ihr Hochbeet einzurichten. Hinzu gab es einen strammen Gegenwind mit Sturmböen, der mir allerhand Kraft abverlangte, da ich mit dem Fahrrad unterwegs war. Und der junge Vater beanspruchte meine Dienste schließlich auch, um seinen Sperrmüll loszuwerden.
Für die Rückfahrt erhoffte ich mir schon Rückenwind, aber anstelle davon gab es mengenweise Regen. Ich stelle dann um ca. 14: 30 fest, dass sich anständig Hunger und Durst in mir breit machten und entschloss mich, beim nächsten Discounter Halt zu machen. Schließlich war ich schon seit 3 Uhr morgens unterwegs, weil ich in der Früh einem Kollegen ausgeholfen hatte, Zeitungen zuzustellen.
Der Lidl an der Bodenseestraße schien ideal. Ich besorgte mir also einen Saftdrink in einer Pfandflasche, den ich sofort nach dem Verlassen des Geschäfts austrank. Da fiel mir ein, dass ich heraußen auch gleich den Müll entsorgen konnte, den ich aus der Komposterde für das Hochbeet herausgefischt hatte. Da fiel mir der Deckel in den Abfall, und ich griff hinein um ihn wieder heraus zu holen, weil ich die Pfandflasche komplett abgeben wollte. Das hat ein Kunde gesehen, der glaubte, ich müsste mir das Geld für den Einkauf aus dem Müll holen und er kam auf mich zu und fragte: „Haben Sie Hunger? Haben Sie Durst? Kommen Sie, ich bezahl Ihnen den Einkauf!“
„Ja“, sagte ich wahrheitsgemäß, „Hunger hab ich schon noch. Aber wie komme ich zu der Ehre?“
„Denken Sie sich nichts“, gab er heraus, “ wählen Sie sich was Sie wollen, ich erledige die Kasse für Sie. Sie brauchen sich nicht zu schämen“.
„Na gut“, antwortete ich,“ und wo kann ich denn die Pfandflaschen zurück geben?“
Die ganze Situation kam mir zwar schon merkwürdig vor, aber ich wollte den guten Mann nicht enttäuschen und seine Hilfsbereitschaft nicht kompromittieren. Außerdem hatte er ja Recht damit, dass ich einen ausgewachsenen Hunger mitbrachte. Sein Eindruck stimmte also haargenau. Ich gab meine Pfandflaschen ab und betrat das Gebäude ein zweites Mal, diesmal in Begleitung. Ich suchte mir ein Gebäck, ein Brot und einen Direktsaft aus, und wir gingen zu Kasse. Er bezahlte tatsächlich den Einkauf – es waren 5 EUR – und wir unterhielten uns ein wenig nachher. Er gab an, zwei Söhne zu haben und gerade umgezogen zu sein. Er war leicht dunkelhäutig mit einem leicht grauen Farbton, und ich riet: „Sind Sie aus Pakistan?“
„Ja, stimmt“, gab er an, „und da haben Sie nochmal 5 EUR, damit Sie sich was fürs Wochenende leisten können.“
Ich dachte mir, ich muss tatsächlich einen furchtbaren Eindruck machen, wenn ich hungrig bin, dass mich jetzt schon die Ausländer für umsonst einladen, und das, obwohl meine Fahrradklamotten in einwandfreiem Zustand waren, also ohne Löcher oder Flecken. Und ich dachte, evtl. kann ich mich revanchieren und frage ihn: „Wenn Sie wollen, kann ich Ihren Kindern Deutsch-Nachhilfe geben, wenn Sie mir Ihre Nummer geben“.
Das tat er, und wir werden bald einen Termin vereinbaren.