Akustik -Plagiate

Akustik-Plagiate

Unter den (noch!!) vielen Vögeln sind die Amseln mit Abstand die besten Sänger; jede einzelne hat ihren ganz individuellen Ruf, sozusagen ihr Markenzeichen. Auf meinen Morgenrunden fiel mir besonders eine ins Auge (oder sagt man dann „ins Ohr?“), welche jeden Tag genau am selben Platz zur selben Uhrzeit ihre durchaus hörenswerten Klang-Variationen  zum Besten gab. Leider hatte ich nie soviel Zeit, mich ausführlich damit zu beschäftigen. Der Erfindungsreichtum an Melodien kennt wenig Grenzen.

Es gibt jedoch eine ernsthaft Tücke: Amseln bauen in ihre Kompositionen stets Träller ein, die auf Grund des hohen Intervalls (bis zu einer Quinte) unnachahmlich sind und sehr, sehr hoch liegen – selbst für einen Sopran unerreichbar. Dadurch kommt auch kein konstanter Rytmus nach unserem Geschmack zustande. Gestern kam so ein Ruf kostenlos (!) durch mein geöffnetes Fenster. Man muss ihn nur ein wenig anpassen, und die Träller ein wenig gezielter anbringen, schon wird daraus ein jazzig angehauchtes Stück.
Ich bediene mich also auch natürlicher Quellen, und da hab ich richtig Glück, dass die Amseln nicht bei der GEMA gemeldet sind, sonst müsst ich womöglich Gebühren zahlen. Und die hätten ordentlich was zu tun!!

Auf der anderen Seite ist mir letztens im Garten eine Amsel aufgefallen, die ihre Grundmelodie eindeutig geklaut hatte: Sie imitierte nämlich den Orginal-Warnton der Sanitäts-Autos, welcher von der Garmischer Straße im Minutentakt herüber schallt. Exakte Tonhöhe, exaktes Tempo, exakte Phrasierung. Da sag mal einer, Vögel würden nicht zuhören! Und für mich ist besonders beruhigend festzustellen, dass die Stimmakrobaten offenbar ebenfalls auf anderweitige Inspirationen angewiesen sind. Selbstverständlich hat sie ihre ganz unverwechelbaren Träller und andere Einschübe schon selbst beigesteuert. Und das leicht identifizierbare Tatüü-Tataa fungierte in ihrem Lied als Refrain. Keine schlechte Leistung. Chapeau! Ich würde sie für „Deutschland sucht die Superamsel“ vorschlagen.
Für kurze Zeit ahmte auch ein etwas schwächerer Sänger den Warnton nach, jedoch blieb seine Bearbeitung des Themas weit hinter dem zurück, was der „Meister“ vorgelegt hatte. Vielleicht war’s ja noch ein Schüler, oder er hatte einfach kein gescheites Talent. Da sind also merkliche Unterschiede zu erkennen.
Mir scheint, die Vögel halten Menschen insgesamt für schlechte Musiker. Die Krone der Schöpfung braucht meistens Noten und Konzertsäle, damit irgend etwas vernünftiges rüberkommt. Bestimmt beweist sich nach Amselnmeinung Genie erst bei der Aufführung im Freien und mit eigener Improvisation. Nur in einem Punkt sind die Menschen unschlagbar: Sie verstehen es, gemeinsam zu musizieren und können – jedenfalls gelegentlich- ihre Individualität zu Gunsten eines Teamprojekts hinten an stellen. Mitarbeit im Chor und Ego vertragen sich nicht so bsonders gut…