Anstand mit Valentino
In Michael Endes ergreifender Sylvester-Geschichte: Der …Wunschpunsch spielt ein gewisser Maurizio eine Hauptrolle, indem er durch tollkühnen Einsatz und jeder Menge Grips den Abend rettet. Dieser Held entstammt einem alten italienischen Adelsgeschlecht und ist ein berühmter Kater. Mein Bekannter Richard aus Berlin hat ebenfalls die Ehre mit einem solchen Exemplar zusammen zu leben, und dieser heißt Valentino.
Die erste Begegnung zwischen den beiden verlief eher unspektakulär. Valentino lag quer über der Treppenstufe als Richard herunterkam. Der Kater hob nur kurz die Augenbraue und wich nicht von der Stelle. Damit war die Registrierung des neuen Bewohners seinerseits abgeschlossen. Richard sagte nur kurz: „Aha, so schaut das also bei dir aus“ und musste umständlich über Valentino hinweg steigen. Immerhin hatte Valentino das ältere Hausrecht auf seiner Seite.
Am Feierabend wollte sich Richard auf der Terasse entspannen und seine Emails checken. Valentino kam aus dem Schuppen und setzte sich in sechs Metern Entfernung förmlich auf die Hinterpfoten um dem Richard seinen abendlichen Gruß zu überbringen, ein halblautes, interessiertes und kurzes „miao“. Richard, in seine Lektüre vertieft, rührte sich nicht. Valentino rückte daraufhin näher, setzte sich wieder nobel auf die Hinterpfoten und rief deutlich lauter: „MIAO“. Richard zeigte sich allerdings auch davon völlig unbeeindruckt und starrte weiterhin auf das ach so interessante Display. Kater Valentino aber ist der Überzeugung, dass Anstand und Höflichkeit zu einem gedeihlichen Zusammenleben dazu gehören. Er kam also bis auf einen Meter heran, setzte sich gebührend um sich in Stellung zu bringen und brachte sein fortissimo „MIIAAOO“ heraus, nach dem Motto: Der Berliner Schnauze werden wir doch noch Anstandsregeln und Manieren beibringen! Und diesmal reagierte Richard, wandte sich ihm zu und bemerkte trocken: „Ich hab dich schon gesehen, alter Haudegen“. Das genügte dem italienischen Grafen als Minimun von Respekt und Manieren, er trollte sich von dannen und murmelte ein kurzes zufriedenes „miao“ nach dem Motte: Na also, geht doch…