Hochzeit in Berlin
Wusstes du, dass Dating-Apps zweischneidige Schwerter sind?
Wenn man sich gern toll finden würde, sich indes nicht besonders toll findet, etwa weil der Bauch richtig hervorsticht, oder weil die Glatze nur von Zeit zu Zeit aufpoliert werden muss, oder weil das Spiegelbild partout nicht hergibt was man sich davon verspricht. Das nennt die Psychologie „negative Selbstperzeption“. Daran leiden, so eine Studie der University of Texas, insbesondere Nutzer von Dating-Apps. Da wird man wochenlang schonungslos weggewischt, aussortiert und verschmäht. Der Frust bleibt natürlich nicht aus.
Anders bei Rocco aus Berlin. Er will ja nach Art unserer Hauptstadt nicht trotz, sondern gerade wegen seiner raubauzigen Art geliebt werden. Kein Wunder, dass er mit einem Dasein als Single vorlieb nehmen musste, was sein ohnehin wenig ausgeprägtes Sozialverhalten nicht verbesserte. Rettung bot die Partnervermittlung, doch zeigte sich dabei, dass Rocco von Anflügen negativer Selbstperzeption völlig unberührt ist. Man muss sogar sagen: Die Wahrnehmung des eigenen Ichs könnte gar nicht positiver ausfallen: Keine war ihm gut genug. Ja, die ersten Interessentinnen wären froh gewesen, er hätte sie nur fortgewischt, so rüde kniff und zwickte er sie.
Erfahrungsgemäß führt ein solches Verhalten nur selten zu Erfolgen bei der Partnerwahl. Doch Rocco lernte laut der SZ (vom 14.3.2017, S.1) schnell und änderte seine Strategie. Auf einmal ganz der liebenswürdige Charmeur soll er Dank der Dating-Börse mit 20 weiblichen Wesen zugleich enge Beziehungen gepflegt haben; ein Kerl seines Schlages ist eben kein Kerl, würde er sich ohne Not zu früh auf eine einzige festlegen. Finde andere, die das Gleiche suchen wie du, heißt es bei Tinder.
Und doch kam es, wie es kommen musste. Rocco sah Rosa, und Rosa sah Rocco. Bald schnäbelten sie nach Herzenslust, und das will schon etwas bedeuten, denn Rocco ist ein Graupapagei und Rosa auch. Sie schlossen also den Bund fürs Leben, und wenn sie nicht gestorben sind…
Jedoch Papageien sind langlebig. Von Churchills Papagei heißt es, er hätte unter neuen Besitzern alle Besucher als „bloody Nazi“ beschimpft. Und vielleicht ist ja auch Erdogan nur so ein alter, freigelassener Churchill-Papagei, der gern mal alles, was nicht seiner Meinung ist, als Nazis, zumindest Terroristen, deklariert. Wer weißt das schon so genau?
Kennengelernt hatten sich Rocco und Rosa übrigens über eine Partnerbörse für Tiere, welche das Berliner Tierheim betreibt. Dort weiß man um all die einsamen Herzen, die voll Sehnsucht in alleinstehenden Meerschweinchen, Katzen, Vögeln und den bekanntlich besonders sensiblen Ratten pochen. Der Ausgang des Animal Dating ist freilich nicht anders als in jeder Romanze, wie dpa die Halterin von Rosa und Rocco zitiert: „Rosa hat definitiv die Hosen an.“ Männer, haltet die Ohren steiff!