Gemeinsam alleinerziehend?!

Gemeinsam alleinerziehend?!

Defizite deutscher Familien- und Gleichstellungspolitik zu Lasten der Väter – Diskriminierung?

Vielen trennungswilligen Paaren gelingt es, eine konstruktive Lösung zur Betreuung der Kinder zu finden. Sie betonen, wie z.B. Arbeitsministerin A. Nahles oder Justizminister H. Maas durch ihre Pressesprecher verlauten ließen, dass sie sich nach wie vor um die Kinder „gemeinsam kümmern“ wollen, nachdem ihre Ehen auseinander gegangen sind.

Während also gemeinsame Sorge und gemeinsames Festlegen des Umgangs nach der Trennung Standard geworden sind, zwingt einem eine veraltete bürokratische Logik nach der Trennung eine einseitige Festlegung auf, die nicht den Realitäten entspricht: Der/diejenige, bei der die Kinder vorwiegend wohnen, gilt von da an als ‚alleinerziehend‘ (Welt am Sonntag, 17.03.2016, S.13). Der andere wird irgendwie aus der Statistik herausgeworfen und bekommt weder einen Namen noch einen Status, etwa „gemeinsam erziehend“, auch wenn er sich fast die Hälfte der Zeit um die Kinder kümmert.

Und dann sollen von den Gerichten in Auftrag gegebene Gutachten herausfinden, bei wem die Kinder besser aufgehoben sind, obwohl es keinen Grund gibt, einen Elternteil zu bevorzugen. Und beide wollen auf ihre Weise zum Gedeihen des Kindes beitragen. Mir ist völlig unverständlich, warum ein Gutachter nicht sagen darf: „Bei den beiden Eltern fühlt sich das Kind  gleichermaßen wohl“ und „es gibt keinen Grund, einen Elternteil zu bevorzugen, beide sind erziehungsfähig“.

Bei Gericht wird das Kind ab etwa 8 Jahren gefragt: Bei wem möchtest du lieber wohnen? Und eine Antwort, die darauf hinausläuft, dass das Kind bei beiden wohnen will, was einem Wechselmodell entspräche, wird ignoriert. Vereinzelt kommt es inzwischen vor, dass ein Gericht die getrennten Eltern auffordert, ein Wechselmodell zu erarbeiten und einzurichten. In aller Regel wird schriftlich festgehalten, dass ja die Mutter die bessere Betreuungsperson ist. Und wenn sich die Eltern dann streiten, bei wem das Kind offiziell leben soll (z.B. über das Aufenthaltsbestimmungsrecht), bekommt die Mutter zu 80% „Recht“.

A propos Statistik: Mittlerweile lebt jedes 5. minderjährige Kind mit nur einem Elternteil zusammen, jedenfalls wenn man den Hauptwohnsitz zugrunde legt. Zum Vergleich: Vor 20 Jahren lebt nur jedes 6. Kind mit Vater oder Mutter „allein“. Und insgesamt gibt es derzeit in Deutschland 1,6 Millionen Alleinerziehende; das sind zu 90% Mütter. Und sie gilt auch dann als „alleinerziehend“, wenn sie mit einem neuen Partner und dessen Kindern zusammen lebt!!

Rein rechnerisch muss es an die 1,3 Millionen mehr oder weniger gemeinsam erziehende Väter geben, die in keiner Statistik auftauchen. Der (Familien-) Politik ist es bislang nicht gelungen, darauf eine entsprechende Antwort zu finden. Immer noch werden viele Familienleistungen ausschließlich Verheirateten angeboten, z.B. die Elternzeit. Und das, obwohl aus jeder Ecke zu hören ist, dass alleinerziehend fast gleichbedeutend mit Armutsrisiko ist. Der Staat trägt dazu bei, indem er Trennungsfamilien – und  vor allem Trennungsväter – steuerlich krass benachteiligt.

Matthias Becker, der neue Berater für Männer an der Gleichstellungsstelle in Nürnberg, wurde seit Mai 2016 eigens als Sozialpädagoge angestellt. Er ist der erste institutionelle Ansprechpartner für Männer in Deutschland und scheut sich nicht, in diesem Zusammenhang von männlicher Diskriminierung zu reden. In einem Interview von Deutschlandradio Kultur vom 9.8.2016 fordert Becker einen Einstellungswandel an Familiengerichten und Jugendämtern. Link zum Interview:
http://www.deutschlandfunkkultur.de/zehn-jahre-allgemeines-gleichbehandlungsgesetz-auch-die.1008.de.html?dram:article_id=362604

Mit den beiden Frauenbeauftragten der Stadt Nürnberg versteht er sich prächtig, offenbar sind sie einer Meinung, wenn er betont: „…die sagen schon lange…: Wir müssen auch die Männer anders einbeziehen, wir müssen sie in den Blick bekommen. Und das eben auch mit einer männlichen Kraft unterstützen.“

Das nenne ich zeitgemäße Gleichstellungspolitik!